Energiewendemärchen der Woche 48-2021

Die klimaschonende Trinkflasche

Die klimaschonende Trinkflasche

André D. Thess

02. Dezember 2021

Die Behauptung: In einem Bericht über den Quantas-Forschungsflug London-Sydney zeigt ein Passagier seine an Bord mitgebrachte Mehrweg-Trinkflasche. Er kommentiert sie ungefähr bei Minute 6:10 mit den Worten, der Verzicht auf Plastikflaschen sei sein Beitrag „to save the planet“, um den Planet zu retten. Der Videobeitrag wurde über sieben Millionen Mal angeklickt.

Meine Analyse: Die Luftlinie von London nach Sydney beträgt knapp 17.000 Kilometer. Der Durchschnittsverbrauch moderner Langstreckenflugzeuge liegt zwischen drei und vier Litern pro einhundert Passagierkilometer. Bei Ultralangstreckenflügen wie der Passage London-Sydney dürfte der Verbrauch höher liegen, weil bei diesen großen Distanzen weniger die Masse des Passagiers als vielmehr die beim Start mitzuführende große Menge an Kerosin ins Gewicht fällt. Nehmen wir jedoch zu Gunsten des jungen Manns an, er würde auf seinem Flug vier Liter Kerosin pro hundert Flugkilometer verbrennen. Dann werden für seinen Flug knapp 700 Liter Kerosin verbraucht, die eine Masse von etwas über einer halben Tonne haben. Da jede Tonne Treibstoff beim Verbrennen drei Tonnen Kohlendioxid erzeugt, emittiert der Passagier (unter der unzutreffenden Annahme eines vollbesetzten Flugzeuges) ungefähr 1,5 Tonnen CO2.  Für Hin- und Rückflug wären das drei Tonnen – ungefähr ein Drittel der jährlichen pro-Kopf-Emissionen eines Europäers oder fast das Doppelte des indischen CO2-Fußabdrucks.

Bei der Behauptung des Passagiers handelt es sich um ein typisches Beispiel von „Pippi-Langstrumpf-Klimaschutz“ nach dem Motto „Ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt.“

Mein Fazit: Wer Langstreckenflüge liebt, sollte auch dazu stehen und sich nicht durch Klima-Doppelmoral herauszureden versuchen. Ich selbst fliege gern nach Australien – allerdings ohne Trinkflasche.  

 

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de

 

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