Energiewendemärchen der Woche 11-2022

Unabhängige Leopoldina?

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Unabhängige Leopoldina?

André D. Thess

17. März 2022

Die Behauptung: Am 8. März 2022 hat die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina eine ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht. Ihr Titel lautet: „Wie sich russisches Erdgas in der deutschen und europäischen Energieversorgung ersetzen lässt.“ In dem Dokument heißt es zum Thema Reduktion der Erdgasnachfrage auf Seite 4: „Dazu zählt zunächst der Ersatz von Erdgas durch andere Energieträger, etwa durch eine stärkere Kohleverstromung.“ [Hervorh. d. Verf.]

Meine Analyse: Die Leopoldina schreibt auf ihren Internetseiten über ihre Rolle: „Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ist seit 2008 die Nationale Akademie der Wissenschaften. Sie bearbeitet unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen [Hervorh. d. Verf.] wichtige gesellschaftliche Zukunftsthemen aus wissenschaftlicher Sicht, vermittelt die Ergebnisse der Politik und der Öffentlichkeit und vertritt diese Themen national wie international.“ Schauen wir uns nun im Detail an, wie unabhängig von politischen Interessen die Leopoldina den Ersatz von Erdgas durch andere Energieträger analysiert.

Im Dokument werden als kurzfristige Maßnahmen zur Substitution russischen Erdgases unter anderem die Beschaffung von Flüssiggas auf dem Weltmarkt, die stärkere staatliche Regulierung der Übertragungsinfrastrukturen, der Ersatz von Gas durch Kohle bei der Stromerzeugung, die Einsparung sowie die stärkere Bevorratung genannt. Der Begriff „Kernenergie“ kommt unter den 3.440 Worten des Textes kein einziges Mal vor.

Während der Weltklimarat IPCC in allen seinen Dokumenten die Kernenergie konsistent als CO2-arme Technologie benennt, erörtern die Autoren der Stellungnahme diese Technologie an keiner Stelle. Sie vernachlässigen mithin den unter Wissenschaftlern gepflegten Ehrenkodex guter wissenschaftlicher Praxis, der in wissenschaftlichen Texten eine umfassende Würdigung des internationalen Wissensstandes verlangt. Die Autoren des Leopoldina-Dokuments ignorieren nicht nur eine zentrale Aussage des Weltklimarates. Sie bleiben der deutschen Öffentlichkeit auch eine Antwort auf die Frage schuldig, ob es nicht möglicherweise an der Kernenergie liegt, dass die Akademie der Wissenschaften in unserem befreundeten Nachbarland Frankreich keine ad-hoc-Stellungnahmen über die Substitution russischen Erdgases erarbeiten muss.

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia definiert den Begriff der Kapitulation als „eine Unterwerfungserklärung, im allgemeinen Sprachgebrauch ein ,endgültiges Sichbeugen vor überlegener Gewalt.‘“


Mein Fazit: Die ad-hoc-Stellungnahme der Leopoldina vom 8. März 2022 ist die Kapitulationserklärung der Professoren Schlögl, Schüth, Edenhofer, Haug, Marotzke, Marquardt, Schmidt und Wagner sowie der Professorinnen Boetius, Grimm und Günter vor der unwissenschaftlichen, klimaschädlichen und preistreibenden deutschen Anti-Atom-Politik.

 

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de

 

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