Energiewendemärchen der Woche 19-2022

Mit dem BBG zur Abstinez

Die EWM dürfen unter Angabe des Autorennamens beliebig verbreitet und
veröffentlicht werden.

Mit dem BBG zur Abstinenz

André D. Thess

12. Mai 2022


Die Behauptung
: Am Montag dem 16. Mai 2022 befasst sich der Ausschuss für Klimaschutz und Energie mit der Novelle des Erneuerbaren Energie Gesetzes (EEG). Auf den Webseiten wird die Information über die Anhörung mit den Worten eingeleitet: „Deutschland richtet seine gesamte Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Klimaschutz-Pfad aus.“

Meine Analyse: Der Ökonom und ehemalige Präsident des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn hat in zahlreichen Stellungnahmen, beispielsweise hier, zur klimaökonomischen Ineffizienz des deutschen EEG Stellung genommen. Er argumentiert, dass das EEG auf Grund der Integration Deutschlands in den CO2-Zertifikatehandel der EU keine nennenswerte Minderung der europäischen CO2-Emissionen bewirkt. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten unserer Zeit, dass die auf elementaren makroökonomischen Überlegungen beruhende Analyse von Sinn flächendeckend ignoriert wird. Um zur Aufklärung der Öffentlichkeit beizutragen, wollen wir die volkswirtschaftlichen Grundlagen des EEG an einem verständlichen Beispiel erläutern, welches nichts mit Klimaökonomie zu tun hat.

Die gesundheitsschädliche Wirkung von Alkohol ist über wissenschaftliche Zweifel erhaben. Jeder Deutsche konsumiert pro Jahr ungefähr 100 Liter Bier. Das sind (großzügig auf 100 Millionen Einwohner aufgerundet) knapp 20 Milliarden Flaschen. Nehmen wir einmal an, Deutschland wollte den Bierkonsum innerhalb von 20 Jahren auf Null reduzieren. Dies könnte dadurch geschehen, dass ab dem 1. Januar 2023 Bier nur noch gegen Berechtigungsscheine verkauft wird. Hierzu verteilt der Staat zu Beginn des ersten Jahres 20 Milliarden solcher Scheine gleichmäßig auf alle Einwohner, im folgenden Jahr 19 Milliarden, danach 18 Milliarden usw. Die Scheine werden kostenlos zugeteilt, dürfen jedoch gehandelt werden. Beim Bierkauf muss der Schein an die Kassiererin ausgehändigt und das Bier bezahlt werden. Nach 20 Jahren wäre der Bierkonsum auf Null gesunken. Gleichzeitig hätte es in der Zwischenzeit dank des Berechtigungs­scheinshandels jedem Bürger freigestanden, seinen Bierbedarf nach Belieben – allerdings wegen der sich am Markt einstellenden Kosten der Berechtigungsscheine – zu einem höheren Preis zu decken.

Um das nationale Abstinenzziel schneller zu erreichen, habe der mustergültige Freistaat Bayern das Bayerisches Biergesetz (BBG) beschlossen. Es fördert den Verzicht auf alkoholhaltiges Bier zugunsten alkoholfreien Biers. Hierzu wird jede Flasche alkoholfreien Bieres durch eine Subvention in Höhe von 0,50 € künstlich verbilligt. Die notwendigen Mittel werden durch eine BBG-Umlage auf normales Bier beschafft. Sie ist von allen alkoholophilen Biertrinkern beim Kauf von gewöhnlichem Bier zu bezahlen.

Würde sich der Konsum konventionellen Biers in Deutschland durch das BBG verändern?

Da die Menge des in Deutschland verkauften alkoholhaltigen Biers durch den Staat in jedem Jahr über die Menge der Berechtigungsscheine exakt festgesetzt wird, ändert das BBG den deutschen Gesamtkonsum um keine einzige Flasche. Die sinkende Nachfrage nach alkoholischem Bier in Bayern würde zu einem Preisverfall der Berechtigungsscheine und zu einem höheren Konsum im Rest der Republik führen. Die Wirkung des BBG auf den nationalen Alkoholkonsum wäre mithin gleich Null. Die einzigen Wirkungen wären höhere Gesamtkosten für das gesamte Land und das Gefühl moralischer Überlegenheit im Freistaat gegenüber dem Rest der Republik. 

Das BBG verhält sich zum deutschen Bierberechtigungsscheinhandel wie das deutsche EEG zum EU-Zertifikatehandel. Oder etwas einfacher ausgedrückt: Das EEG passt zu den EU-Klimaschutzinstrumenten wie der Hosenträger zum Gürtel.


Mein Fazit: Das EEG ist für die europäischen CO2-Emissionen weitgehend wirkungslos. Seine Beibehaltung steht in direktem Widerspruch zu dem eingangs zitierten Satz. Das EEG sollte deshalb umgehend, vollständig und ersatzlos abgeschafft werden.   

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de

Zum Seitenanfang