Energiewendemärchen der Woche 22-2022

Klimaneutrale Dienstreisen

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Klimaneutrale Dienstreisen

André D. Thess

02. Juni 2022

Die Behauptung: Im Dokument „Klimaneutrale Dienstreisen der Bundesregierung. Hintergrundpapier“ steht: „Seit 2014 gleicht die Bundesregierung die Klimawirkung der Dienstreisen ihrer Beschäftigten mit Flugzeug und Pkw aus.“ Dazu wird weiter untern ausgeführt: „Durch die freiwillige Kompensation gleicht die Bundesregierung die verbliebenen Emissionen durch Emissionseinsparungen an anderer Stelle aus, indem Emissionsminderungsgutschriften aus anspruchsvollen Klimaschutzprojekten erworben und stillgelegt werden. Beschafft werden Gutschriften aus Projekten, die nach den UN-Regeln unter dem Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) des Kyoto-Protokolls von 1997 zertifiziert sind.“


Meine Analyse: Unter CO2-Kompensation versteht man Maßnahmen außerhalb des Verkehrssektors wie etwa die Installation von Solaranlagen in Namibia oder das Pflanzen von Bäumen in Nepal. Diese werden durch Spenden von Fluggästen oder durch Zahlungen von Regierungen finanziert und stellen nach Aussage ihrer Befürworter ein effizientes marktwirtschaftliches Instrument des Klimaschutzes dar. Nebenbei bemerkt, ließen sich nach der gleichen ökonomischen Logik auch das Fleischessen, das Fahren mit SUV und Kreuzfahrten kompensieren. Diese Aktivitäten sind bei Umweltschützern und Kompensationsanbietern allerdings mit Verweis auf unwissenschaftliche Begriffe wie „fehlende Notwendigkeit“ schlecht beleumundet.

Ungeachtet wohlklingender Vokabeln wie „Clean Development Mechanism“ kann eine Kompensationsmaßnahme dann als wirksam gelten, wenn sie verifizierbar und zusätzlich ist. Unter Verifizierbarkeit ist zu verstehen, dass man die Menge an eingespartem CO2 anhand von zeitaufgelösten Einspeisedaten wie etwa beim Windenergiesystem auf der Insel El Hierro www.goronadelviento.es unabhängig berechnen kann. Unter Zusätzlichkeit ist zu verstehen, dass eine Maßnahme wie etwa die Installation von Solaranlagen in einem Entwicklungsland nicht auch ohne die Spenden stattgefunden hätte.

Wie im Buch „Sieben Energiewendemärchen?“ (Kapitel 7) dargestellt ist es mir für kein einziges Projekt deutschsprachiger Kompensationsanbieter gelungen, die vorgeblich eingesparte Menge an CO2 zu verifizieren. Auch der Versuch, für die im eingangs zitierten Dokument der Bundesregierung angegebenen Projekte stichprobenartig Messdaten zu finden, war erfolglos. Daraus lässt sich der Schluss ableiten, dass die von den Bundesbehörden finanzierten Kompensationsmaßnahmen nicht verifizierbar sind und ihre Zusätzlichkeit nicht beweisbar ist.


Mein Fazit: Die Behauptung der Bundesregierung über den Ausgleich der CO2-Emissionen ihrer Dienstreisen ist nicht belegbar. Indizien aus dem Bereich der Kompensation von Flugreisen legen die Vermutung nahe, dass die eingangs getroffene Aussage mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zutreffend ist.

 

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de

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