Energiewendemärchen der Woche 31-2021

Wahlversprechen 1/6: Linkspartei

Sechs Wahlversprechen im Schnelltest:

Teil 1 - Linkspartei

André D. Thess

5. August 2021

 

Vorbemerkung: Die Serie analysiert die Stimmigkeit ausgewählter Versprechen aus den Bundestagswahlprogrammen einzelner Parteien. Die Analysen beinhalten keinen Vergleich von Parteien untereinander. Sie stellen insbesondere keine Wahlempfehlungen dar.

Das Wahlversprechen: In ihrem Bundestagswahlprogramm verspricht die Linkspartei einen vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030. Er soll mit 40 Milliarden Euro Steuergeld bezuschusst werden „um die Übergänge gerecht zu gestalten“. Weiter heißt es auf Seite 68: „In vom Strukturwandel besonders betroffenen Regionen wollen wir Transformations­räte einrichten, die den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft fachlich begleiten. Sie sollen Initiativrecht über die Gelder aus dem Transformationsfonds und der regionalen Infrastrukturpolitik haben.“

Meine Analyse: Transformationsräte gibt es unter dem Namen Советы (Sowjets) schon seit der „Oktoberrevolution“ 1917. Für eine sachgerechte Beurteilung solcher Institutionen ist jedoch eher ein Blick in die jüngere deutsche Geschichte erhellend. Greifen wir drei Beispiele heraus: Den Transformationsrat Wohnen, den Transformationsrat  Marktwirtschaft und den Transformationsrat Automobilindustrie. 

Der Transformationsrat Wohnen, besser bekannt unter dem Namen Neue Heimat, erlangte in der Bundesrepublik der Achtzigerjahre Bekanntheit. Das Bauunternehmen gehörte dem Deutschen Gewerkschaftsbund DGB. Es war für die Versorgung von Arbeitern mit bezahlbarem Wohnraum gedacht. Das gut gemeinte Konstrukt schlitterte in eine Korruptionsaffäre, die laut taz vom 16. September 1986 knapp 17 Milliarden DM an Verbindlichkeiten hinterließ. Zwischenfazit: Gut gemeint heißt noch lange nicht gut gemacht.

Der Transformationsrat Marktwirtschaft, besser bekannt unter dem Namen Treuhandanstalt, privatisierte Anfang der Neunzigerjahre die Unternehmen der untergegangenen DDR. Der Vorgang bescherte dem deutschen Staatshaushalt einen Fehlbetrag von über 100 Milliarden Euro. Kritiker sprachen von einem Ausverkauf des Ostens. Befürworter lobten den schnellen Transformationsprozess. In einem waren sich freilich alle einig: Die Arbeit der Treuhandanstalt war von Korruptionsaffären begleitet, weil zuverlässiges Personal fehlte. Die Details schildert der Journalist Dirk Laabs im Buch „Der deutsche Goldrausch – Die wahre Geschichte der Treuhand“. Zwischenfazit: Bei der Personalauswahl gilt auch im Kapitalismus Lenins Leitspruch „Доверяй, но проверяй“ (Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.)

Der Transformationsrat Automobilwirtschaft Baden-Württemberg wurde am 21. September 2017 mit Prominenz und Medien gegründet. Für eine Bilanz seines Wirkens ist es zu früh. Die Stellungnahme des Staatsministeriums (Drucksache 16/6135 vom 18. April 2019) listet auf 130 Seiten Projekttabellen und bunte Bilder. Doch Kriterien, nach denen die Öffentlichkeit am Ende der „Sichtbarkeitsphase 2020-2024“ über Erfolg oder Misserfolg urteilen kann, fehlen.

Mein Fazit: Transformationsräte sind eine prima Idee, wenn Geldverschwendung, Korruption und Schaumschlägerei ausgeschlossen werden können.

Meine Empfehlung: Fragen Sie die Linkspartei-Abgeordneten Ihres Wahlkreises: (1) Wer wählt die Mitglieder des Transformationsrates? (2) Wer legt die Ziele fest? (3) Wie wird Korruption verhindert? (4) Wer haftet bei Misserfolg für verschwendete Steuergelder?

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de Die Texte dürfen mit Autorenangabe frei verbreitet werden.

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