Energiewendemärchen der Woche 40-2021

Microsoft-Firmenlyriker am Werk

Microsoft-Firmenlyriker am Werk

André D. Thess

7. Oktober 2021

 

Die Verlautbarung: In einem Kommentar für das Wissenschaftsjournal Nature unter dem Titel „Microsoft’s million-tonne CO2-removal purchase — lessons for net zero“ (Microsofts Millionen-Tonnen-CO2-Beseitigungsauftrag – Lehren für die Klimaneutralität) schreiben vier Microsoft-Mitarbeiter und zwei Wissenschaftler: „Im Januar diesen Jahres hat Microsoft eine bedeutende („major“) Ankündigung gemacht: Es hat für die Entfernung von 1,3 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre bezahlt.“ [Hervorh. d. Verf.]

Meine Analyse: Der Konzern Microsoft hat im Jahr 2020 gemäß seinem Geschäftsbericht einen Umsatz von reichlich 140 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Zu den CO2-Emissionen des Unternehmens existieren keine verlässlichen Angaben. Legt man das amerikanische Bruttosozialprodukt in Höhe von etwa 21 Billionen Dollar und eine jährliche CO2-Emission von knapp 7 Milliarden Tonnen zugrunde, so steckt in jedem Dollar etwa ein Drittel Kilogramm CO2. Heruntergerechnet auf den Konzernumsatz ergibt das für Microsoft knapp 50 Millionen Tonnen CO2 Emissionen pro Jahr. Bei einer einmaligen Reduktion um 1,3 Millionen Tonnen – weniger als drei Prozent der Gesamtemissionen – handelt es sich somit um keine „bedeutende“ Leistung.

Der Nature-Kommentar enthält keine präzisen Angaben über die Höhe des finanziellen Engagements und keine Informationen darüber, wie die behauptete Emissionsreduktion von einem unabhängigen Außenstehenden überprüft werden können. Diese Verifikation spielt für die Beurteilung von Qualität und Glaubwürdigkeit von Klimaschutzmaßnahmen eine zentrale Rolle.

Klimaökonomen schätzen den finanziellen Aufwand für eine moderate Dekarbonisierung auf 100 und für eine „tiefe Dekarbonisierung“ auf 500 Dollar pro Tonne CO2. „Bedeutende“ Klimaschutzmaßnahmen würden Microsoft somit jährlich zwischen 5 und 25 Milliarden Dollar kosten. Echte Klimaneutralität wäre wahrscheinlich noch wesentlich teurer.

Mein Fazit: Beim Microsoft CO2-Beseitigungsauftrag handelt es sich nicht um eine bedeutende Klimaschutzmaßnahme, sondern um Eigenwerbung unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit.

 

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de

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